Haut
Empfehlung :
1959 entdeckte Professor Dr. Jérôme Lejeune die Trisomie 21 als
Ursache einer speziellen Form der geistigen Behinderung. In Paris sprach jetzt
Stefanie Weh für "zusammen" : mit Professor Lejeune.
Haut
Zusammen :
Man wirft den Ärzten oft die Art vor, wie sie die Eltern über die
Behinderung ihres Kindes aufklären. Wie klären Sie die Eltern auf und was
wäre beispielhaft ?
Haut
Prof. Lejeune :
Es ist fast unmöglich, eine schlechte Nachricht gut zu
überbringen. Der Übermittler eines Unglücks wird nirgendwo gern gesehen. Ich
gebe den Ärzten zwei Ratschläge: - die Eltern exakt darüber aufzuklären,
was wir über die Krankheit wissen; - aber gleichzeitig reit ihnen über ihr
Kind zu reden, es bei seinem Namen (Pierrre oder Paul) zu nennen und das Kind
nicht mit der Diagnose zu bezeichnen. So verstehen die Eltern, daß ihr Kind
für uns ein Patient ist und nicht irgendeine Nummer im Krankenarchiv.
Haut
Zusammen :
Sollen Eltern nach der Geburt so tun, als sei ein nichtbehindertes
Kind geboren ?
Haut
Prof. Lejeune :
Es ist völlig legitim, das behinderte Kind als vollwertigen Teil
der Familie zu betrachten, d. h. es überall hin mitzunehmen und unter den
normalsten Bedingungen zu erziehen. Aber man soll sich stets über seine
Behinderung im klaren sein und nicht die Krankheit verdrängen wollen.
Haut
Zusammen :
Was raten Sie den Eltern, damit die Gegenwart eines behinderten
Kindes nicht das Gleichgewicht der Familie stört?
Haut
Prof. Lejeune :
Die Ärzte geben den Eltern diesbezüglich kaum Ratschläge, denn
die Eltern wissen besser, wie sie das Gleichgewicht in der Familie
gewährleisten können. Das behinderte Kind muß einfach um seiner selbst
willen geliebt werden. Für das Gleichgewicht seiner Geschwister ist es nötig,
ihnen die Diagnose, sobald sie bekannt ist, zu erklären. Die Geschwister
verstehen eine Krankheit, deren Existenz und Natur sie kennen, besser. Es ist
nicht gut, sie in Unwissenheit zu lassen und vorzugeben, daß ihr kleiner
Bruder oder ihre kleine Schwester "nichts hat". Es ist schon so, auch hier,
daß die Wahrheit frei macht.
Haut
Zusammen :
Was können Sie unseren Lesern zum gegenwärtigen Stand der Trisomie
21-Forschung sagen?
Haut
Prof. Lejeune :
Von allen Krankheiten, die die geistige Entwicklung verzögern oder
behindern können, ist die "Trisomie 21" die häufigste und augenfälligste.
Abgesehen von den äußeren Merkmalen (schräggestellte Lidachsen, kurze
Finger, zu große Zunge u. a.) und den möglichen Mißbildungen innerer Organe
(in ca. 40 % finden sich Fehlbildungen vor allem des Herzens und des
Zwölffingerdarmes), bleibt das schwerwiegendste, niemals fehlende Symptom
dieser Krankheit die eingeschränkte geistige Entwicklung. Es scheint, daß die
Versorgung des Organismus mit gewissen lebenswichtigen Molekülen, die für die
Funktion des zentralen Nervensystems verantwortlich sind, gestört ist. Man
weiß heute, daß die Anatomie des Gehirns selbst normal ist, aber daß eine
funktionelle Einschränkung besteht.
Haut
Zusammen :
Es ist der Wissenschaft in einigen Fällen gelungen, kranke Kinder
bereits im Mutterleib zu heilen. Wie steht es mit der Trisomie 21?
Haut
Prof. Lejeune :
Man sollte glauben, daß die gesamte Wissenschaft sich aktiv um die
Erforschung des Mongolismus bemüht. Leider sieht die Wirklichkeit ganz anders
aus! Ich verstehe nicht, weshalb ein Teil der Mediziner sich so entmutigen
läßt. Weil sie ihre Patienten noch nicht heilen können, wollen sie sie
"beseitigen". Das ist nämlich genau das, was die pränatale Diagnostik der
Trisomie 21 hervorrufen kann. wenn man im vierten Schwangerschaftsmonat ein
wenig Fruchtwasser entnimmt und davon eine Zellkultur anlegt, kann man das
Vorhandensein eines überzähligen Chromosoms (oder eine andere chromosomale
oder biochemische Anomalie) erkennen. Wenn wir eine wirksame Therapie zur
Heilung des Kindes "in utero" kennen würden, erwiese uns die Amniocentese
immense Dienste. Dies trifft z. B. bei der Rhesusunverträglichkeit zu. Hier
läßt die Amniocentese den Zustand des Kindes erkennen und ermöglicht, falls
nötig, eine Bluttransfusion "in utero" und so eventuell eine Heilung.
Haut
Zusammen :
Wie sehen Sie die Rolle des Arztes während der Schwangerschaft?
Haut
Prof. Lejeune :
Während der Schwangerschaft ist die Rolle des Arztes sehr
eingeschränkt. Zwar bestätigt eine Untersuchung in utero eventuell die
Diagnose, doch nützt das nicht viel mangels therapeutischer Möglichkeiten
während der Schwangerschaft.
Haut
Zusammen :
Gibt es einen Hoffnungsschimmer für Eltern, die nach der
Fruchtwasserpunktion die Diagnose hören Trisomie 21?
Haut
Prof. Lejeune :
Bei Stoffwechselerkrankungen oder Chromosamenanomalien wieder
Trisomie 21 ist keine Behandlung des Foeten möglich. Manche schlagen vor, die
Krankheit durch einen Schwangerschaftsabbruch zu beseitigen. Neuerdings wird in
einigen wissenschaftlichen Abhandlungen diese Entscheidung sogar als
"Behandlung" bezeichnet. Als ab jemals der Tod eines Kranken den Sieg über die
Krankheit bedeutet hätte! Die Medizingeschichte lehrt uns, daß nicht jene die
Menschheit von der Todwut oder der Fest befreiten, die die Tollwütigen
zwischen zwei Matratzen erstickten, noch jene, die die Pestkranken in ihren
Häusern verbrannten. Man muß die Krankheit besiegen und nicht den
Kranken!
Sicher, es wäre unehrlich zu behaupten, die Forschung stünde vor
einer entscheidenden Entdeckung. Es gibt noch keine kurative Behandlung der
Trisomie 21.jedoch mehren sich die Anzeichen, daß die grundlegendste Störung
- hauptverantwortlich für die geistige Behinderung nicht sehr schwer zu
erkennen und möglicherweise reparabel ist. Würden die zivilisierten Nationen
eine ähnliche Anstrengung im Kampf gegen die Geisteskrankheiten aufbringen,
wie sie es für die Erforschung des Weltalls tun, wäre der Erfolg gesichert.
Es wäre weniger schwierig und kostspielig, einem kleinen Menschen auf der Erde
bei seiner geistigen Entwicklung zu helfen, als einen Astronauten auf den Mond
zu schicken!
Haut
Zusammen :
Sie haben die Trisomie 21 als Ursache des sogenannten Mongolismus
entdeckt - erschrecken Sie angesichts der Tatsache, daß andere nun derartige
Wege der "Behandlung" heraufbeschwören?
Haut
Prof. Lejeune :
Ja, und ohne den Propheten spielen zu wollen, behaupte ich, daß die
nächste Generation sehr streng über unsere Hoffnungslosigkeit urteilen wird
und über uns, die wir verzweifelten, obwohl sich die Anzeichen für einen
Erfolg häuften.
Angesichts unserer großen Aufgabe und der absoluten Notwendigkeit
eines Erfolges, läßt sich nur immer wieder sagen: "wir geben niemals
auf!"
Haut
Zusammen :
Herr Professor Lejeune, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
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